2022 Alternativen. Von der alternativen Sanktion zur alternativen Kriminologie
Die Strafjustiz wird immer wieder in Frage gestellt: Für die einen ist sie zu mild, für die anderen nicht in der Lage, ihre Ziele zu erreichen (Verbrechensverhütung, Resozialisierung der Verurteilten usw.). Für andere wiederum ist sie kontraproduktiv, weil sie die Angeklagten eher zur Lüge als zum Eingeständnis ihrer Taten verleitet und dies zum Nachteil der Opfer. Und schliesslich sei sie nicht in der Lage, die Öffentlichkeit zu überzeugen. Ihre Kritiker sind also zahlreich; aber was schlagen sie als Alternativen vor? Diese Frage steht im Mittelpunkt der Diskussionen des Kongresses 2022 der Schweizerischen Arbeitsgruppe für Kriminologie.
Wenn man von Alternativen spricht, denkt man heute vor allem an Alternativen zur Freiheitsstrafe. Wenn man jedoch einen Schritt weiter geht, warum sollten nicht auch Alternativen zur Sanktion oder sogar zum Strafrechtssystem als Ganzes in Betracht gezogen werden? Dann befindet man sich in der Gedankenwelt der alternativen Kriminologien.
Diese Fragen rund um die Alternativen führen uns zu einer Debatte über die Alternativen zum Gefängnis, dann allgemeiner über die Alternativen zu strafrechtlichen Sanktionen und schliesslich über die Alternativen zum Strafsystem selbst. Am Ende steht auch die Auseinandersetzung mit alternativen Formen zur traditionellen Kriminologie auf dem Programm. Diese beziehen sich einerseits auf die Erforschung noch nicht kriminalisierter Formen abweichenden Verhaltens (Devianz), u.a. mit dem Ziel, neue Straftatbestände zu schaffen (wie z. B. Ökozid); andererseits ziehen diese alternativen Formen der Kriminologie fundamental alternative Rechtssysteme in Betracht, in denen es kein Strafrecht mehr braucht.