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2005 Öffentlich - Privat: Neue Aufgabenteilung in der Kriminalitätskontrolle?


Thema der Jahrestagung 2005 der Schweizerischen Arbeitsgruppe für Kriminologie ist die fliessende Grenze zwischen Privatheit und Öffentlichkeit in der Kriminalitätskontrolle. Kriminalität und Kriminalitätsbekämpfung sind Kinder ihrer Zeit. Es kann deshalb nicht weiter überraschen, dass die gesellschaftliche Diskussion um Globalisierung und Privatisierung aller Lebensbereiche auch hier ihre Auswirkungen zeigt. Während im Bereich der materiellen Strafrechtsgesetzgebung die Verantwortung an globale Instanzen oder Interessengruppen delegiert wird, überlässt der Staat auf der Ebene des Vollzugs die Durchsetzung seines Strafanspruchs zunehmend dem freien Spiel der Kräfte. Die Privatisierungswelle hat in diesem Sinn keineswegs nur die ehemaligen Monopolbetriebe, sondern auch die staatlichen Ordnungsmächte erfasst. Die Gewährleistung öffentlicher und privater Sicherheit ist zu einem eigentlichen Markt geworden. Den rund 15 000 Polizeibeamten in der Schweiz dürfte heute eine annähernd gleich grosse Zahl privater Sicherheitskräfte gegenüberstehen.

Klar ist dabei, dass vieles im Umbruch ist; weniger eindeutig ist, wohin der Weg führt. Zieht sich der Staat tatsächlich zurück oder wagt er sich in anderer Form nicht gerade weiter vor? In welchen Bereichen verlangt der Bürger noch nach staatlicher Sozialkontrolle, wo setzen sich private Lösungsmuster durch? Wer definiert denn nun den öffentlichen Strafanspruch, wer legitimiert ihn? Wer gewährleistet die öffentliche, wer die private Sicherheit?

In engem Austausch zwischen theoretischen Erkenntnissen und praktischen Erfahrungen sollen an der Tagung die verschiedenen, zum Teil gegenläufigen Tendenzen beleuchtet werden, wie zum Beispiel die Selbstregulierung der Finanzmärkte, die Mitwirkung Privater bei der Korruptionsbekämpfung, private Beweismittelbeschaffung, Betriebsjustiz, Privatisierung und Auslagerung des Straf- und Massnahmevollzugs, oder auch Täter-Opfer-Mediation.

Die Schweizerische Arbeitsgruppe für Kriminologie ist überzeugt, dass der in Interlaken zur Tradition gewordene aufgeschlossene Diskussionsstil einen fruchtbaren Austausch zu einem noch weitgehend unerforschten Thema erlauben wird.

Nadja Capus, Ursula Cassani, Sandro Cimichella, Niklaus Oberholzer

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